Alles, was Du über den FTP Test wissen musst!
Der FTP Test dient für viele Radfahrer und Triathleten als absolute Grundlage zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit, der Trainingsbereiche und ggf. auch der Wettkampfpace. Warum das nicht immer funktionieren kann, möchten wir mit diesem Artikel aufzeigen.
Was ist die FTP?
Die Functional Threshold Power ist als die Leistung definiert, welche eine Person für 60 min am Limit fahren kann. Dieser Wert ist deshalb so interessant, da laut dem Entwickler dieses Modells diese maximale 60 min Leistung ziemlich genau der Leistung an der anaeroben Schwelle entsprechen soll. Aufwendige physiologische Messungen zur Bestimmung der anaeroben Schwelle sollen durch einen FTP Test hinfällig werden.
Wie funktioniert der FTP Test?
Die Idee des FTP Test ist schnell erklärt. Statt aufwendiger physiologischer Tests und Parameter, braucht man lediglich einen Wattmesser am Rad und fährt damit einen All-Out Test. Um seine FTP zu bestimmen müsste man nun also „einfach“ 60 min am Anschlag fahren. Eine Vorgabe, die sich in der Praxis allerdings sehr schwer umsetzen und noch schwieriger reproduzieren lässt.
So behilft man sich mit einem „Trick“: Beim sogenannten FTP Test (oder auch CP20 Test) fährt man nun mehr nur 20 min am Anschlag und kann dann seine Functional Threshold Power „berechnen“. Es wird davon ausgegangen, dass die durchschnittliche 20 min Leistung, multipliziert mit dem Faktor 0,95 letztendlich die 60 Minuten Leistung „vorhersagen“ kann.
Mittlerweile bieten diverse Softwaretools vordefinierte FTP-Test-Programme inklusive interaktiver Anleitung und automatisierter Auswertung an. Dazu gehören zum Beispiel Zwift und TrainerRoad.
Die 3 „Probleme“ des FTP Test:
- Der FTP Test hat einen Lerneffekt – gerade die ersten Testversuche dürften nach oben hin variieren, da mit zunehmender Erfahrung auch die Einteilung der 20min besser funktioniert. Daher ist die Aussagekraft, zumindest am Anfang der „Testkarriere“, nur bedingt zu verwenden.
- Der FTP Test überschätzt häufig die 60min Leistung. Die Theorie: Durchschnittswattwert (20min Vollgas) x 0,95 = Leistung, die über 60min erbracht werden kann. In der Praxis funktioniert das nur bei ca. 70% unserer Athleten.
- Die Functional Threshold Power entspricht nicht zwangsläufig der Anaeroben Schwelle. In der Realität können Leute die FTP physiologisch sehr unterschiedlich realisieren. Menschen mit hoher Affinität zur Laktatbildung werden sich wahrscheinlich mit hohen Laktatwerten durchquälen (weil sie es gewohnt sind). Menschen mit gutem aeroben System (VO2max) werden dagegen wahrscheinlich weniger Laktat produzieren.
Und dann gibt es noch eine generelle Frage – brauchen wir überhaupt einen FTP Test?
Anaerobe Schwelle (FTP): kennt jeder – braucht aber keiner!
Wie oft hast Du auf deinen Leistungsmesser oder deinen Herzfrequenzmesser gesehen und dich gefragt, ob du zu weit über die Schwelle gehst?
Obwohl es sicherlich vernünftig ist, sich nicht „einfach nur so“ in den Keller zu fahren, im Training wie auch im Rennen, wirst du vielleicht überrascht sein, wie wenig Du eigentlich über die am meisten diskutierte – und sehr missverstandene – Leistungsmetrik, die Anaerobe Schwelle oder FTP weißt.
Die unscharfe Grenze
Per Definition ist die Schwelle/FTP die höchste Leistungsabgabe, bei der die Konzentration von Laktat im Blut einen Gleichgewichtszustand erreicht. Dies bedeutet, dass sich bei dieser Intensität das Laktat bei einer bestimmten Konzentration stabilisiert und sich nicht mehr mit der Zeit erhöht.
Athleten haben normalerweise großen Respekt davor, diese Schwellenleistung oder den dazugehörigen Herzfrequenz-Wert zu überschreiten. Sobald sie während des Wettkampfs in die Region ihrer FTP kommen, beginnen sie ihre Leistungsabgabe streng zu limitieren um sich nicht zu überlasten.
Aber was sie nicht wissen ist, dass die FTP kein fester Wert ist – eigentlich ist sie eine unscharfe Grenze, eine verschwommene Linie.
Wenn durch einen Test Deine Schwelle beispielsweise bei 300 Watt festgelegt wurde, solltest du wissen, dass du deine Leistungsabgabe geringfügig über diese 300-Watt-Grenze hinaus erhöhen und – zum Beispiel – auf 308 Watt steigern könntest, ohne direkt zu explodieren.
Dein Körper ist tatsächlich in der Lage ein anderes Laktat-Steady-State zu finden, bei welchem du für eine ziemlich lange Zeit trainieren/fahren kannst.
„Eine leichte Laktatakkumulation kann mit einer negativen Rückkopplung auf die Laktatproduktion selbst verbunden sein“
Dieses zweite Steady-State ist das Resultat eines interessanten Phänomens:
Bei einem geringen Anstieg der Leistung werden die Laktatwerte in deinem Blut zunächst ebenfalls ansteigen, aber nicht so sehr, dass du umgehend „explodierst“ und du die Intensität sofort verringern musst. Eine leichte Akkumulation von Laktat kann zu einer negativen Rückkopplung auf die Lakatproduktion einhergehen, also die Laktatproduktion verringern.
Damit sorgt die kontrollierte Akkumulation von Laktat selber für eine Verringerung der Ursache dieser Akkumulation: einer Verlangsamung der Laktatproduktion selbst. Dies reicht bis zu dem Ausmaß, in dem die Konzentration einen anderen stationären Zustand erreicht und sich wieder stabilisiert! Dieser „zweite steady state“ ist eine Intensität, bei der man ebenfalls lange verweilen kann. Dies ist möglich, weil die anaerobe Schwelle kein fester Wert ist. Die Schwelle ist eine unscharfe Grenze, ein Übergangsbereich mit dem man – im geringen Maße – als Sportler „spielen“ kann.
Aber auch ein Anstieg von in unserem Beispiel ,,nur‘‘ 8 Watt gleicht einem Zuwachs von 2,6% an der Schwelle. Dies ist ein gewaltiger Schritt, wenn man bedenkt, dass man für diesen Leistungszuwachs nur die Hinzunahme von spezifischem Wissen braucht.
Im Training geliebt – im Wettkampf nie gebraucht.
Der andere sehr wichtige Aspekt, den Du vielleicht über die Schwelle/FTP nicht wusstest, ist, dass sie in nahezu keinem spezifischen Rennen oder bei keiner spezifischen Distanz/Dauer zum Einsatz kommt! Ja richtig gelesen – die Schwellenleistung braucht man (fast) nie.
Wenn du zum Beispiel ein 10-km-Lauf absolvierst, wirst Du nie genau an der Schwelle Laufen, sondern deutlich höher. Gleiches gilt in noch größerem Ausmaß für ein 5-km-Rennen.
Selbst bei einem Halbmarathon oder einem Marathon läufst du kaum mit deiner FTP-Geschwindigkeit, sondern deutlich drunter.
Und auch wenn Peter Sagan bei der Flandern-Rundfahrt auf den Oude Kwaremont angreift oder Marcel Kittel bei der Tour de France sprintet, fahren beide nicht an ihrer Schwelle – sondern deutlich drüber. Es gibt fast kein (wettkampfentscheidendes-)Szenario, bei der der Leistungsoutput exakt der Schwellenleistung entspricht.
„Die Mehrzahl der Wettkämpfe beim Schwimmen, Laufen, Radfahren usw. werden in Situationen entschieden, in denen der Athlet weit über Schwelle/FTP liegt!“
Der einzige Zeitpunkt, an dem ein Athlet tatsächlich für den größten Teil des Rennens an der Schwelle sein könnte, ist ein langes Zeitfahren, welches ungefähr eine Stunde dauert, wie z.B. die Weltmeisterschaft im Einzelzeitfahren oder ein langer Anstieg. Und selbst in diesem Fall wird der Athlet nur teilweise an der Schwelle fahren. Vielmehr wird selbst hier nur ein Teil des Rennens an der Schwelle, und ein anderer, signifikanter Teil oberhalb der Schwelle absolviert. Die meisten anderen Wettkämpfe beim Schwimmen, Laufen, Radfahren usw. werden in Situationen entschieden, in denen der Athlet weit über die Schwelle hinaus geht! Und bei Langstreckenveranstaltungen wie einem Marathon oder Triathlon liegt die Intensität, selten an der, sondern die meiste Zeit, deutlich unterhalb der Schwelle. Hier sind vielmehr der FatMax Bereich und der Kohlenhydratverbrauch wichtig.
Warum ist die anaerobe Schwelle dann überhaupt so wichtig?
Die anaerobe Schwelle wurde historisch verwendet, um Trainingsintensitäten zu bestimmen. Und sicherlich ist diese Methodik nicht schlecht für eine grobe Abschätzung von Intensitäten. Es ist jedoch nicht die effizienteste und genaueste Art, Trainingsintensitäten und Trainingszonen zu ermitteln. Die Energieträgernutzung unterhalb der Schwelle, also die Anteile der Nutzung von Fetten und Kohlenhydraten, kann von Athlet zu Athlet sehr unterschiedlich sein. Eine simple Ableitung der Schwelle auf diese niedrigeren Intensitäten ist daher nicht valide.
„Die einzige gültige Möglichkeit, z.B. eine VO2max-Intervall-Trainingseinheit zu planen, besteht darin, die Intensität eines Intervalls auf die VO2max selbst zu beziehen“
Das gleiche gilt für hochintensive Maßnahmen: Die Fähigkeit, über der FTP zu fahren, korreliert nicht direkt mit der Leistung an der anaeroben Schwelle selber und kann Athletenbezogen sehr unterschiedlich sein. Zum Beispiel ist die einzige gültige Möglichkeit, eine VO2max-Intervall-Trainingseinheit zu planen, die Intensität eines Intervalls auf der VO2max selbst zu basieren. Also auf dem physiologischen System, auf das du mit diesem spezifischen Training abzielst. Folglich sollte dieses Training auch nicht von der FTP abgeleitet werden.
Was bleibt vom FTP Test?
Der FTP Test kann keine fundierte physiologische Leistungsdiagnostik ersetzen. Er ermöglicht eine simple und sehr grobe Einschätzung der Leistungsfähigkeit, nicht mehr und nicht weniger.
Ein funktionaler Leistungstest wie der 20min FTP Test z.B. einer ist, hat durchaus seine Daseins Berechtigung. Auch wir nutzen funktionale Tests permanent im Feld. Lediglich Vorher-Nachher-Vergleiche verschiedener Testergebnisse sind nur bedingt möglich und auch das Rückschließen auf andere Leistungsbereiche (vor allem die 60-minütige Leistung) anhand schematischer Berechnungen kann nicht als zuverlässig angesehen werden.
Es macht absolut Sinn seine Leistung in regelmäßigen Abständen zu testen und zu beobachten. Die ständige Überprüfung einzelner funktionaler Leistungen aus Trainings- und Rennergebnissen (z.B. 5 sek, 30 sek, 5 min, 20 min und 60 min) von Zeit zu Zeit ist sehr aufschlussreich. Funktionale Daten zeigen WIE sich die Leistungsfähigkeit im Detail über die Zeit verändert. Aber gerade hier erkennt man oft die individuellen Besonderheiten und muss feststellen, dass eine Leistung in dem einen Bereich noch lange nicht die Leistung im anderen Bereich vorhersagt.
Ein entsprechendes Praxisbeispiel, warum der FTP Test nicht immer zielführend ist, findest Du in unserem Artikel „Was der FTP Test nicht leisten kann!„.
Gibt es eine Alternative ?
Na klar, mittlerweile können wir auch eine valide Leistungsdiagnostik @ home realisieren – für 179 Euro erhälst Du Dein (sportwissenschaftliches) physiologisches Profil, inkl. VO2max, VLamax, Substratverbrauch und Trainingsbereichen. Weitere Infos dazu findest Du hier: endurance-performance.de